Band 819: Film 3 Zähler: (1 - 1652) 3sat ( ZDF © ) So, 01.09.2002 20:15 45 Min.
deutsch
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iFN: 2280
Thema: Flüsse
Russlands Ströme - Russlands Schicksal (3)
Ritt auf dem schwarzen Drachen: Der Amur
Dokumentation Länder
Russlands Ströme - Russlands Schicksal (3/3)
Die Russen nennen ihn Amur, die Chinesen den Fluss des Schwarzen Drachen: Er teilt zwei Völker und zwei Welten. Anne Gellinek fuhr mit der Transsibirischen Eisenbahn bis nach Skoworodino, der ersten Bahnstation am Amur, der dort noch ein idyllisches Flüsschen ist. Über Blagoweschtschensk, die Hauptstadt des Amur-Gebietes, und Chabarowsk ging es per Schiff den Amur hinab bis zur Mündung, wo Stalin einen Tunnel nach Sachalin, zur Insel der Verbannten, bauen lassen wollte. Fast zwölf Kilometer lang sollte der Tunnel werden. Heute zeugt nur noch ein 70 Meter tiefer Bauschacht von dem irren Traum des Diktators.
Film von Anne Gellinek
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siehe auch: Band 780: Film 2
Wir nähern uns mit der Transsibirischen Eisenbahn, Richtung Westen, flussabwärts bis nach Skoworodino, einer kleinen Bahnstation, der ersten am Amur. Knapp 200 Kilometer von hier, in den nebelverhangenen Chingan-Bergen, fließen Argun und Schilka zusammen: fortan heißt der Strom Amur. Wie alle Orte am Oberlauf ist auch Skoworodino ein Grenzposten, heute eher verschlafen und vergessen als gefährlich. Hier ist der Amur - fast 4500 Kilometer von der Mündung entfernt - noch ein idyllisches Flüsschen, und die Grenzer führen ein beschauliches Leben als Fischer und Jäger.
Ganz anders Blagoveschtschensk, die erste Großstadt auf unserer Reise und gleichzeitig die Hauptstadt des Amur-Gebietes. Die Stadt hat einen Zwilling, gerade mal einen Kilometer über den Fluss - Heihe, eine chinesische Boomstadt. Schon lange wird über den Bau einer Brücke nachgedacht, doch noch nichts ist geschehen. Beide Seiten, noch immer misstrauisch aufeinander, wahren den Sicherheitsabstand, zumindest formal.
Die Gegensätze könnten nicht größer sein: Auf russischer Seite die heruntergekommene Sowjetstadt, abgeblättert, traurig, trist. Auf der anderen Seite des Amurs wachsen glitzernde Wolkenkratzer in die Höhe, es herrscht Hochbetrieb - Baustellen, Geschäfte, Handel überall. Wir treffen reiche Chinesen, die in russischen Casinos ihr Geld verspielen, und russische Mädchen, die vom Boom profitieren wollen und ihren Körper verkaufen. Und wir setzen mit der Fähre zum ersten Mal über den Fluss, um uns das kapitalistische Wunder von Heihe näher anzusehen. Wieder spüren wir den Argwohn auf beiden Seiten, diesmal gepaart mit dem Neid der einen auf die Geschäftstüchtigkeit der anderen.
Weiter flussabwärts bei Chabarowsk begegnen wir dem berühmtesten Bewohner der Region: dem Amur-Tiger. Es ist der größte und schwerste seiner Art, und es gibt nur noch rund 400 wild lebende Raubkatzen. Er ist ein Gejagter, und wer ihn schützen will, wird für verrückt gehalten. Zum Beispiel Wladimir Kruglow. Jahrelang hat er die Taiga bejagt und wilde Tiere gefangen. 31 Tiger hat er eigenständig bezwungen. Bis zu dem Tag, als er genug hatte und beschloss, wilde Tiere von nun an zu schützen.
In einem riesigen Freiluftgehege hält er vier Tiger, die er, wenn die Zeit gekommen ist, wieder aussetzt. Mit Betäubungsgewehr und Hubschrauber fliegt er die Riesenkatzen zurück in die Taiga. Das Ganze ist kein leichtes Unterfangen, denn der Platz muss gut gewählt werden, weit weg von Ortschaften und Wilderern.
Von Chabarwosk aus geht es per Schiff den Amur hinab, vorbei an idyllischen und gottverlassenen kleinen Dörfern bis zur Mündung, dort, wo Stalins Strafgefangene einst den irren Traum des Diktators verwirklichen sollten: Ein 70 Meter tiefer Bauschacht südlich der Amurmündung ins Ochotskische Meer zeugt noch vom Tunnel nach Sachalin, der Insel der Verbannten gegenüber. Fast zwölf Kilometer lang sollte er werden. 6000 Gefangene haben daran gebuddelt bis zu Stalins Tod.
Sachalin ist unsere Endstation, die Insel der Verzweifelten und der neuen Hoffnungen. Öl- und Gasvorkommen sollen die Bewohner reich machen - die amerikanische Firma Sachalin Energy fördert bereits auf einer Plattform vor der Küste.
Amerikaner und Nifchy, die Ureinwohner Sachalins, sind eine merkwürdige Gemeinschaft am Amur eingegangen.
Ein Fluss der Hoffnung, ein Fluss, der nach wie vor mehr trennt als vereint. Und ein Fluss, dessen Zeit erst noch kommen soll.
Erstsendung 16.8.2001
Bei Skoworodino, einer kleinen Bahnstation, ist der Amur noch ein idyllisches Flüsschen. Knapp 200 Kilometer von hier, in den nebelverhangenen Chingan-Bergen, fließen Argun und Schilka zusammen, fortan heißt der Strom Amur. Wie alle Orte am Oberlauf ist auch Skoworodino ein Grenzposten, heute eher verschlafen und vergessen als gefährlich. Hier ist der Amur fast 4.500 Kilometer von der Mündung entfernt, und die Grenzer führen ein beschauliches Leben als Fischer und Jäger.
In Russland heißt der Fluss Amur, in China nennen sie ihn den "Fluss des Schwarzen Drachen".
Ganz anders Blagoveschtschensk, die Hauptstadt des Amur-Gebietes. Die Stadt hat einen Zwilling, gerade mal einen Kilometer über den Fluss - Heihe, eine chinesische Boomstadt. Schon lange wird über den Bau einer Brücke nachgedacht, doch noch ist nichts geschehen. Beide Seiten, noch immer misstrauisch aufeinander, wahren den Sicherheitsabstand, zumindest formal. Die Gegensätze könnten größer nicht sein: auf russischer Seite die heruntergekommene Sowjetstadt, abgeblättert, traurig, trist. Auf der anderen Seite des Amur wachsen glitzernde Wolkenkratzer in die Höhe, es herrscht Hochbetrieb - Baustellen, Geschäfte, Handel überall.
Ein Amur-Tiger in einem Freiluftgehege bei Chabarowsk.
Das Tigergehege am Amur
Der Amur-Tiger ist der größte und schwerste seiner Art, und es gibt nur noch rund 400 wildlebende Raubkatzen. Er ist ein Gejagter, und wer ihn schützen will, wird für verrückt gehalten. Zum Beispiel Wladimir Kruglow. Jahrelang hat er die Taiga bejagt und wilde Tiere gefangen. 31 Tiger hat er eigenhändig bezwungen. Bis zu dem Tag, als er genug hatte und beschloss, wilde Tiere von nun an zu schützen. In einem riesigen Freiluftgehege hält er vier Tiger, die er, wenn die Zeit gekommen ist, wieder aussetzt. Das Ganze ist kein leichtes Unterfangen, denn der Platz muss gut gewählt werden, weit weg von Ortschaften und Wilderern.
An der Amurmündung
Ein 70 Meter tiefer Bauschacht südlich der Amurmündung ins Ochotskische Meer zeugt noch von Stalins irrem Traum - dem Tunnel nach Sachalin, der Insel der Verbannten gegenüber. Fast zwölf Kilometer lang sollte er werden. 6.000 Gefangene haben daran gebuddelt bis zu Stalins Tod.
Sachalin ist die Insel der Verzweifelten und der neuen Hoffnungen. Öl und Gasvorkommen sollen die Bewohner reich machen - die amerikanische Firma Sachalin Energy fördert bereits auf einer Plattform vor der Küste. Amerikaner und Nifchy, die Ureinwohner Sachalins, sind eine merkwürdige Gemeinschaft am Amur eingegangen. Ein Fluss der Hoffnung, ein Fluss, der nach wie vor mehr trennt als vereint. Und ein Fluss, dessen Zeit erst noch kommen soll.
Bild oben: Am Unterlauf des Amur: Per Schiff geht es stromabwärts, vorbei an idyllischen kleinen Dörfern bis zur Mündung ins Ochotskische Meer.