Band 403: Film 1 Zähler: (1 - 2500) Vox ( Spiegel-TV © ) Do, 07.09.2000 22:05 55 Min.
Aufnahmestatus: abgeschnitten
deutsch
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iFN: 1070
Thema: Lebensmittel
Spiegel TV Extra
Auf heißen Kohlen - Grillen als Weltanschauung
Report
Reihe: Spiegel TV Extra
Ganz oben auf der Beliebtheitsskala für öffentliche Grillplätze liegt der Berliner Stadtpark Tiergarten. Dort hatte 1997 der Baustadtrat Horst Porath eigens ein Zehntel der Parkfläche für die Grillfanatiker freigegeben, um dem so genannten "Wildgrillen" ein Ende zu bereiten.
Für viele türkische, asiatische und afrikanische Familien ist dort das Grillen zur Tradition geworden. Grillen verbindet alle Berliner Bevölkerungsschichten - vom Proll bis zum Yuppie - wahrscheinlich wird in keiner anderen deutschen Stadt so ausgiebig, hingebungsvoll und beinah fanatisch gegrillt.
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Jeden Sommer wird das Braten auf dem Grillrost zum Lieblingsthema der Berliner Lokalpolitik - wegen des anfallenden Mülls. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Siegfried Helias will ein so genanntes "Grill-Ticket" einführen. Gegen eine Nutzungsgebühr von zehn Mark sollen die Brutzel-Fans ihre eigene Reinigungs- und Kontroll-Kolonne finanzieren.
SPIEGEL TV Extra über "betreutes Grillen", Holzkohlenexperten und Sterne-Koch-Brater in Berlin.
V E R E I N I G T E F L E I S C H F R E S S E R
Würstchen im Web
Ganze Heerscharen von Großstädtern haben das Rösten von Bratwurstschnecken, Schinkengrillern und Schweinenacken zum Freizeitkult erhoben. Ein Blick ins Netz beweist: Man ist besorgt. Besorgt um die Sicherheit der Hobby-Kokler und den Frieden ihrer nicht grillenden Mitmenschen.
© DPA
Lauschig: Grillen im Berliner Tiergarten
Die Website der Hauptstadt versucht, zivilem Ärger vorzubeugen, indem sie ihre Leser mit einer Liste der offiziell geduldeten Grillplätze beglückt. Mit gutem Gewissen in die Wurst beißen kann man demnach im legendären Grillrevier des Tiergartens, im Görlitzer Park in Kreuzberg oder dem Monbijoupark in Berlin-Mitte. Wer es post-sozialistisch mag, bruzelt an der Landmarke - mit Blick auf die Plattenbauten Hohenschönhausens, eines im äußersten Nordosten der Hauptstadt gelegenen Problem-Viertels. Theoretisch, so die Warnung an die User, könne den Bürger bei verbotenem Grillen eine Strafe von bis zu 10.000 Mark treffen.
Der Ratgeber Recht aus Bayern nennt Beispiele: Während ein hessischer Grundstücksbesitzer viermal im Jahr ein Grillfest veranstalten darf, ist dies Bonner Mietern ganze sechs Mal gestattet. Von April bis September dürfen sie jeden Monat einmal die Kohlen zum Glühen bringen - vorausgesetzt, sie haben ihre Nachbarn zwei Tage vorher davon in Kenntnis gesetzt. Im Ernstfall ist laut Hamburger Mieterverein jedoch immer Rücksichtnahme angesagt: "Das leckerste Grillsteak", säuselt es von der Website, "ist den gestörten Hausfrieden nicht wert."
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Erste Deutsche Amateur-Grillmeisterschaft im Pforzheimer Enzauenpark
Der "NetDoktor" warnt derweil vor kollektiven Verdrängungsmechanismen angesichts eines recht karzinogenen Freizeitvergnügens - und verdirbt einem dabei auch schon mal den Appetit: 5,8 bis 8,0 Mikrogramm des Schadstoffes Benzpyren verbergen sich nach Expertenmeinung in der Kruste von einem Kilogramm Fleisch - was dem Rauch von 600 Zigaretten entspricht. Das in fast allen gepökelten Fleischwaren enthaltene Nitrit verbindet sich unter Hitzeeinwirkung mit im Fleisch enthaltenen Eiweiß zu Krebs erregenden Nitrosaminen. Was man dagegen tun kann? "Gesund grillen" - Hinweise und Tipps gibt es auf dieser Seite zuhauf.
Nicht nur Lebensmittel werden in Mitleidenschaft gezogen: Die Aktion "Das Sichere Haus" (DSH) zählte allein in München 4000 Unfälle beim Grillen - 500 davon mit schweren Verbrennungen. Ein Grund mehr, die Website der umtriebigen Bezirksfeuerwehr Mittelfranken zu konsultieren. Nach dem Motto "Grillen ohne Reue" erhalten Sie hier Ihr Basiswissen zu sämtlichen Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit offenem Feuer.
Eine wirklich praxisorientierte Anleitung zum erfolgreichen Grillen präsentieren die Fachleute von www.reihenhaus.at. Neben Tipps zum "Auflegen des Grillguts" finden Sie hier bei den Warnhinweisen eine beeindruckende Temperaturtabelle: Flammen: 800 °C, Grillkohlenglut: 500 °C, Grillgehäuse: 400 °C und - last but not least - der Grillrost mit 500 °C.
© GMS
Nicht zu empfehlen: Anfeuern mit Spiritus
Warum Grillen männlich ist, erklärt das Magazin "Kultimativ" Eingebettet in einen fragmentarischen Abriss der Geschichte des Freiluftröstens lästert Frau hier hemmungslos über unappetitlich behaarte Freizeit-Patriarchen. Schwitzend und schnaubend gehorchten diese dem "archaischen Trieb", als ausschließlicher Ernäher über "Wohl und Wehe der Familie" zu gebieten.
Weniger miesepeterig präsentiert sich die kulinarischen Front im Netz: Das "rustikale Flair einer Grillparty" wird von den "CyberKöchen" gepriesen, die auf die mindestens 400.000 Jahre alte Tradition des Röstens von Fleisch über offenem Feuer verweisen. Wer auf der Suche nach Fluchtwegen aus dem Ketchup-Delta ist, findet hier eine Vielzahl außergewöhnlicher Rezepte: Vom Honig-Rippchen über gefüllte Koteletts bis zum Tomaten-Ananas-Dip wird keine Rafinesse der modernen Küche ausgelassen.
Wenn Sie beim Anblick gegrillter Leichenteile allerdings angewidert das Gesicht verziehen, sind Sie auf der Website der Schweizer Vegetarier besser aufgehoben: "Seitan-Schnitzel" und "Peace-Steaks" werden bei den Eidgenossen liebevoll mit Olivenöl bepinselt und später mit "Schlangenbrot" und veganer Mayonnaise genossen. Mit "Tofu-Knackern" und "Sombrero Würstchen" sollen sich Vegetarier-Kinder auf Schulreisen endlich nicht mehr "als Außenseiter fühlen".
Was Sie schon immer über das Grillen wissen wollten:
1450: Die Rostbratwurst wird in Thüringen erfunden
1792: Der amerikanische Feinschmecker Richard Briggs variiert die ursprünglich aus China stammenden Sauce "Ketsiap", indem er die Anzahl der Tomaten darin erhöht - und propagiert das Ergebnis in seinem Kochbuch als "catsup".
Ein gegrilltes Steak lockt mit 600 verschiedenen Aromen.
In Deutschland werden jedes Jahr 2,5 Millionen Grillgeräte verkauft.
Das amerikanische "Barbecue" hat seine sprachliche Heimat angeblich in Frankreich: Nach Meinung einiger Etymologen waren es französische Trapper, die in rauer Wildnis Bisons über offenem Feuer bruzelten, und zwar "barbe à queue", also vom "Bart bis zum Schwanz".
Im 19. Jahrhundert ist das Barbecue in den USA eines der beliebtesten Wahlkampfmittel: Mit Grillfleisch, Limonade und Whiskey gehen die Politiker auf Stimmenfang.
Links zum Film: Auf heißen Kohlen - Grillen als Weltanschauung
Videobandbelegung Band 403 VHS-PAL/Secam
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