Film: | Deutsche LebensläufeMartin HeideggerHeideggers "Sein" und die Politik seiner "Zeit" |
Stand: 22.09.2003 Zum Filmende |
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Die einen halten ihn für den größten Philosophen des 20. Jahrhunderts, die anderen für überschätzt. Für die einen sind seine philosophischen Schriften große Dichtung, für die anderen leerer Tiefsinn.
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Heideggers Kindheit und Jugend standen ganz im Zeichen des Katholizismus. Sein Vater war Mesner in Meßkirch, einem Städtchen zwischen der schwäbischen Alb und dem Alemannischen. Martin will Priester werden, er beginnt ein Studium der katholischen Theologie. Doch als er erste Berührung mit moderner Philosophie hat vor allem mit Edmund Husserls "Phänomenologie"- wendet er sich vom "System Katholizismus" ab. Er studiert Philosophie und wird Husserls Assistent. Zu den Sachen selbst! Der junge Philosoph votiert gegen die Oberflächlichkeit und Hektik des Stadtlebens, aber auch gegen den verknöcherten wilhelminischen Akademismus, den er an den Universitäten erlebt. 1923 wird Heidegger Professor in Marburg. Dort lernt er die junge jüdische Studentin Hannah Arendt kennen. Eine heimliche Liebesbeziehung beginnt Heidegger ist inzwischen verheiratet. 1927 veröffentlicht er sein großes Werk "Sein und Zeit", das ihn auf einen Schlag berühmt macht, zwei Jahre später tritt er Husserls Nachfolge in Freiburg an.
Zunehmend findet er Gefallen an den Parolen der Nationalsozialisten, er erhofft sich von ihnen die geistige Revolutionierung des Abendlandes. Im April 1933 wird Heidegger zum Rektor der Freiburger Universität gewählt. Am 1. Mai tritt er in die NSDAP ein. Er will den akademischen Betrieb gründlich entstauben. Mit seinen Studenten hält er Seminare im Freien ab. Doch ein Jahr später tritt er zurück den Zwistigkeiten im Kollegium und den Anforderungen der Parteivertreter weiß er dauerhaft nicht zu begegnen.
Er hält jetzt Vorlesungen über Hölderlin und Nietzsche letztere beinhalten deutlich auch Kritik am Nationalsozialismus. Nach dem Krieg erhält er zunächst Lehrverbot auch weil ein Gutachten seines alten Freundes Karl Jaspers ihn belastet. Dass er gerade jetzt in Frankreich begeistert gelesen wird als Kronzeuge der Existenzialphilosophie Jean Paul Sartres tut ihm gut.
In den 50er Jahren setzen sich seine Vorträge vor allem mit den Gefahren der Technik kritisch auseinander. Als das geistige Klima der Bundesrepublik zunehmend von der "Frankfurter Schule" bestimmt wird, gerät Heidegger ins Hintertreffen. Für Theodor W. Adorno ist Heideggers Philosophie erbauliche Heimatkunst; er verspottet sie 1964 als "Jargon der Eigentlichkeit".
Hannah Arendt, die in den dreißiger Jahren in die USA emigrierte und inzwischen selbst als Philosophin weltbekannt ist, setzt sich dafür ein, dass Heideggers Schriften in den USA erscheinen können. In den siebziger Jahren besucht sie Heidegger und seine Frau, nicht nur ein Mal. 1966 hat Heidegger in einem langen Interview mit Rudolf Augstein zu seinem Verhalten im Dritten Reich Stellung genommen. Bedingung: Das Interview durfte erst nach seinem Tod im Spiegel veröffentlicht werden. Zu den Vorwürfen, die seit Kriegsende immer wieder gegen ihn erhoben wurden, wollte er zu Lebzeiten nichts Verteidigendes publizieren.
In diesem Interview rechtfertigte er seine Rolle im Nationalsozialismus. Als der früherer Rektor der Freiburger Universität Möllendorf, ein Sozialdemokrat, die Aushängung antijüdischer Propaganda untersagte wurde er seines Amtes enthoben. Heidegger übernahm das Amt, nachdem er von verschiedenen Seiten dazu gedrängt wurde nur weil er die Gefahr gesehen habe "dass sonst ein Funktionär (der NSDAP - anm. der Red.) zum Rektor ernannt würde." Durch seine Kandidatur wollte er "der Politisierung der Wissenschaft" einhalt gebieten.
Auf der anderen Seite erläutert Heidegger in diesem Interview seine Einstellung zur "Machtergreifung" der Nationalsozialisten: "Ich sah damals keine andere Alternative. Die der allgemeinen Verwirrung der Meinung und der politischen Tendenzen von 22 Parteien galt es zu einer nationalen und vor allem Sozialen Einstellung zu finden (...)." Doch die Rechtfertigung überwiegt und die Eingeständnisse, zum Beispiel über das persönliche versagen in seiner Beziehung zu seinem jüdischen Lehrer Husserl, sind rar.
Seine Amtszeit als Rektor der Universität Freiburg endete nach zehn Monaten im Februar 1934. Seine Lehrtätigkeit endete erst mit der Einberufung zum Volkssturm.
Die Radikalität, mit der Heidegger in seinem Hauptwerk "Sein und Zeit" die Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz gestellt hat, hat in fünf Erdteilen bis auf den heutigen Tag nicht zu wirken aufgehört und, was man von keinem anderen Philosophen sagen kann: Er hat weit über die Philosophie hinaus gewirkt. Architekten, Theologen, Philologen, Biologen haben die Ernsthaftigkeit seiner Frage nach dem Sinn des Seins in ihre Arbeit aufgenommen
Bild oben: Martin Heideggers Leben steckt voller Widersprüche: Christliche Erziehung dann Abkehr vom "Katholischen System", Liebe zu der Jüdin Hannah Arendt dann Betätigung als Universitäts-Rektor unter den Nazis, NSDAP Mitglied aus Begeisterung dann endgültiger Bruch mit dem Regime
Martin Heidegger |
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